Mutterschutz für Selbständige

Fotografiert von Cherie Birkner

In den letzten Jahren habe ich oft gehört, dass ich als selbständige Frau keinen Anspruch auf Mutterschutz habe. Ich empfinde diese Aussage als höchst irreführend, denn ich fühle mich durch meine Selbständigkeit keinerlei benachteiligt.

Zwar habe ich durch meine Selbständigkeit nach deutschem Recht keinen Schutz vor Kündigung. Wie denn auch?! Ich kann meine Kund:innen schließlich nicht zwingen, bei mir zu bleiben; finanziell ist die Selbständigkeit aus meiner Perspektive mehr als nur vorteilhaft.

Dank Selbständigkeit zum Elterngeld-Höchstsatz

Durch einige Hebel und die Hilfe meines Geschäftspartners konnte ich nicht nur einen entspannten Mutterschutz genießen und so in Ruhe die letzten Vorbereitungen auf meine kleine Tochter erledigen. Auch konnten wir die Dinge so drehen, dass mir der Höchstsatz von € 1.800 zusteht.

Ich möchte in diesem Artikel beschreiben, was wir getan haben, um für mich solch vorteilhaften Bedingungen zu schaffen. Dabei ist dies keinerlei rechtliche oder steuerliche Anleitung. Auch hege ich keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Ich schildere hier ausschließlich meine persönliche Vorgehensweise.

Ich hoffe, dieser Artikel hilft einigen zukünftigen Mamas. Bitte leitet ihn an eure Freund*innen weiter:

  1. Freiwillig krankenversichert MIT (!) Krankengeld

Bereits wenn man sich selbständig macht, muss man vor allem als gebärfähige Person daran denken, ob man es sich vorstellen kann, irgendwann schwanger zu werden. Bei der freiwilligen Anmeldung für die Krankenkasse hat man nämlich die Wahl, sich freiwillig MIT oder eben OHNE Krankengeld versichern zu lassen.

Auf Check24 kann man Folgendes nachgesehen:

“Die freiwillig gesetzlich krankenversichert sind, haben nur dann Anspruch auf Krankengeld, wenn sie diese Leistung in ihren Versicherungsschutz mit eingeschlossen haben. Sie müssen dann anstelle eines ermäßigten Beitragssatzes von 14 Prozent die regulären 14,6 Prozent bezahlen. An diese Entscheidung sind sie drei Jahre lang gebunden.”

Bezahlt man diesen zusätzlichen (Mini-)Betrag, hat man genauso Recht auf 6-Wochen Mutterschutz vor dem errechneten Termin und 8 Wochen danach. Die Höhe der Auszahlung beläuft sich auf 70% des Netto-Einkommens und wird von der Krankenkasse übernommen.

Genauso wie bei Angestellten, müsst ihr dafür bei der Frauenärztin oder dem Frauenarzt eine Bestätigung über den errechneten Entbindungstermin anfragen und diese bei eurer Krankenkasse einreichen.

An dieser Stelle möchte ich auch erwähnen, dass man von der Krankenkasse auch Zuschüsse für Schwangerschafts- oder Rückbildungsyoga erhält. Informiert euch also. Ich selbst bin bei der Techniker Krankenkasse und seit Jahren sehr glücklich.

2. Mutterschutz-freundliche Unternehmensform

Um den Mutterschutz und Elterngeld in voller Höhe zu genießen, ist es wichtig, in der Zeit des Mutterschutzes bzw. während der Elternzeit keinerlei Einkünfte zu generieren. Das ist bei Selbständigen und vor allem denen, die skalierbare (passive) Einkommensquellen aus zB. Buchverkäufen oder Online-Kursen haben, gar nicht Mal so einfach, denn diese werden automatisch überwiesen.

Kurz zusammengefasst ist es wichtig, seine eigenen beruflichen Einkünfte von den Einkünften der Firma zu separieren, oder aber diese Verträge rechtzeitig zu beenden.

Unsere Firma, NEW STANDARD.STUDIO ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts und somit in der Theorie ein Unternehmen, welches ich separat zu meiner Selbständigkeit führe. In anderen Worten: ich habe neben einem privaten Konto auch ein Geschäftskonto und zusätzlich hat unsere GbR ein separates Geschäftskonto.

Bevor ich mich in den Mutterschutz verabschiedet habe, habe ich alle meine Einkünfte von Skillshare, Amazon, etc. auf die Firma überschrieben. Somit kommt das Geld der Firma zu Gute, denn ich bin durch den Staat finanziell abgesichert und somit sehr glücklich in meiner Rolle als Mama.

Prinzipiell würde ich Menschen im gebärfähigen Alter, die selbständig tätig sind, empfehlen, mit einer anderen Person aus der gleichen Branche und ähnlichen Plänen (idealerweise zeitversetzt) eine GbR zu gründen. Durch diese Regelung gewinnt man nämlich einiges an Flexibilität, denn es macht es einfacher, auch weiterhin Geld zu verdienen (verdienen stelle ich hier nicht gleich mit arbeiten), ohne aber in die Gefahr zu laufen, zurückzahlen zu müssen.

3. Vertraglich absichern

Laut unserem Gesellschaftsvertrag bin ich zu 50% an allen Gewinnen beteiligt. Zum Jahresende wird dadurch meine Gewinnbeteiligung errechnet und ich erhalte das mir zustehende Geld.

Da man während des Mutterschutzes bzw. der Elternzeit keinerlei Einkünfte generieren darf, haben mein Geschäftspartner und ich einen Zusatzvertrag mit folgenden Punkten aufgesetzt:

“Für die Dauer des Mutterschutzes und der Elternzeit gibt es keinen Gewinnanteil für die in Mutterschutz bzw. Elternzeit befindliche Gesellschafter:innen. Je nach Bedarf kann dennoch geleistete Arbeit bei entsprechender Rechnungslegung mit einem Stundensatz von €70 exkl. USt entlohnt werden.

Laut § 7.1 werden die Geschäfte von den zwei Gesellschaftern gemeinschaftlich geführt. Für die Dauer der Elternzeit wird XXX, geboren am TT.MM.JJJJ, in Vertretung für die in Elternzeit-befindliche Gesellschafter:in unterschreiben und erhält dementsprechend eine zeitlich befristete Stellvertreter:innen-Vollmacht.

Im Übrigen bleibt es bei dem Gesellschaftsvertrag vom TT.MM.JJJJ.

Die auf der Grundlage dieser Änderung des Gesellschaftsvertrages nunmehr maßgebliche Fassung des Gesellschaftsvertrages ist dieser Niederschrift als Anlage angehängt.

Weitere Beschlüsse wurden nicht gefasst.”

4. Bemessungsgrundlage erhöhen

Während bei Angestellten die letzten 12 Monate vor dem Start des Mutterschutzes als Bemessungsgrundlage gelten, ist es bei Selbständigen das letzte Steuerjahr. d.h. wer in 2023 gebärt, für den:die ist das Jahr 2022 als Bemessungsgrundlage relevant.

Das heißt, es ist wichtig, das Einkommen für diesen Zeitraum möglichst zu erhöhen. Man sollte das Ziel ins Auge fassen, mindestens € 2.700 Netto zu verdienen, um den Höchstsatz von € 1.800 Elterngeld zu bekommen.

Wer dies nicht ohnehin verdient (wahrscheinlich die meisten), sollte daher proaktiv auf alle Kund:innen und zuarbeitende Firmen bzw. Freelancer:innen zugehen und diese in die Liquiditätsplanung involvieren .

Man kann Kund:innen bitten, vor Jahresende zu zahlen und zuarbeitende Firmen oder Freelancer:innen fragen, ob sie ihre Rechnungen erst im Januar stellen könnten. Das funktioniert natürlich nur dann, wenn man nicht vom Januar bis Mai schwanger wird, sondern erst danach.

5. Bemessungsgrundlage intern adaptieren

Als weitere Maßnahme, um die Bemessungsgrundlage zu ändern, kann man auch den Gesellschaftsvertrag anpassen und für eine bestimmte Zeit zB. Eine 60/40 Beteiligung ausmachen  statt 50/50. Dies bedarf klarer Kommunikation und fairer Abmachung der Gesellschafter:innen.

6. Bankinformationen aktualisieren bzw. umschreiben

Wie bereits erwähnt, habe ich ein eigenes Geschäftskonto und unsere GbR hat ein eigenes Geschäftskonto. Bevor ich in den Mutterschutz ging, habe ich alle passiven Einkünfte auf die Firma umgeschrieben und auch manche Abos und Rechnungen über die Firma abwickeln lassen. So geht das Geld nicht verloren, beeinflusst aber keinerlei meine Elterngeld- und Mutterschutz-Einkünfte. Schließlich möchte man keinen Verdienst mehr haben, sobald der Mutterschutz losgeht.

7. Vertretung finden

Die Arbeit erledigt sich natürlich nicht von selbst. Wir haben für NEW STANDARD.S letztes Jahr und zum Jahresanfang einige Langzeitprojekte akquiriert bei denen ich allesamt als Projektleitung agierte. Die langfristigen Projekte ermöglichten uns eine entsprechende Planung zu machen und eine Vertretung einzustellen, die meine Projekte (zumindest teils) übernehmen kann.

Mein Geschäftspartner und ich empfanden meine Elternzeit als eine Chance, unser Team auszubauen. Unser langfristiges Ziel ist es, genügend Projekte zu akquirieren, damit wir unser Team erweitern. Meine Vertretung war der erste Schritt in diese Richtung.

(!) Hier auch noch einmal ein Hinweis, warum es Sinn machen kann, eine GbR mit einer befreundeten Person aus der Branche zu starten: man kann sich auch hier je nach Bedarf vertreten und im Tandem Aufträge akquirieren. Schließlich kommt man wieder und auch hier sollte es möglichst reibungslos ablaufen.

An dieser Stelle möchte ich mich vom Herzen bei meinem Geschäftspartner Max Mauracher bedanken, der heldenhaft NEW STANDARD.S vorwärts führt und mich aus dem Tageschgeschäft raus hält.

Ich wünsche allen zukünftig selbständigen Mamas das gleiche Level an Unterstützung. Wie es so richtig heißt: it takes a village to raise a child.

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